Am 3. Juni 2025 trafen sich im Professional Hub Hannover über 120 Expert*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Klinik und Politik, um beim diesjährigen Niedersächsischen Life Science Tag gemeinsam über Fortschritte, Herausforderungen und Zukunftsperspektiven der personalisierten Medizin zu diskutieren. Mit einem abwechslungsreichen Programm aus Fachvorträgen, Startup-Pitches, einer begleitenden Ausstellung und Networking bot die Veranstaltung zahlreiche Impulse und zeigte eindrucksvoll, wie viel Innovationskraft in Niedersachsen sowie der diesjährigen Partner-Bioregion Rhein-Neckar steckt.
Im Fokus des Tages standen aktuelle Entwicklungen aus Wissenschaft und Wirtschaft, der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die medizinische Praxis und die Förderung interdisziplinärer Zusammenarbeit. Veranstaltet wurde die BioRegioN-Jahresveranstaltung in Kooperation mit dem Zentrum für Individualisierte Infektionsmedizin (CiiM) und dem BioRN – Life Science Cluster aus der Partner-Bioregion Rhein-Neckar.
Personalisierte Medizin im Fokus: Von Vision zur Umsetzung
Der Vormittag begann mit der Eröffnung durch Dr. Yvonne Reinke, Geschäftsstellenleiterin der Niedersachsen.next BioRegioN, die die Teilnehmenden mit einleitende Worten zum Fokusthema der Veranstaltung begrüßte. Im Anschluss richtete Grant Hendrik Tonne, Niedersachsens Minister für Wirtschaft, Verkehr und Bauen, ein digitales Grußwort an die Teilnehmenden.
Es folgte die Vorstellung der diesjährigen Kooperationspartner – den Beginn machte die Geschäftsstellenleiterin des Zentrums für Individualisierte Infektionsmedizin (CiiM), Dr. Jennifer Debarry. Das CiiM ist eine gemeinsame Initiative vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und dient als interdisziplinärer Ort für exzellente Infektionsforschung und -medizin, Austausch und Translation.
Dr. Julia Schaft, Geschäftsführerin des BioRN Life Science Cluster, betonte die Bedeutung regionaler Clusterstrukturen, um Fragmentierung in der Forschung zu vermeiden und gemeinsame Sichtbarkeit – auch international – zu schaffen. BioRN ist der Innovationscluster für Wissenschaft und Industrie in der Rhein-Neckar-Region um Heidelberg und fungiert als Plattform für Innovation, Transfer und Kooperation.
Anschließend führte Prof. Dr. Markus Cornberg (CiiM) in einem inspirierenden Vortrag in das diesjährige Thema des Life Science Tags ein und erläuterte, was die personalisierte Medizin ausmacht. Dabei ging er auf zentrale Herausforderungen wie beispielsweise die Evidenzgenerierung und Datenintegration ein und zeigte auf, warum personalisierte Ansätze nicht nur dem einzelnen Patienten, sondern dem gesamten Gesundheitssystem zugutekommen: Präzise Diagnostik, individuelle Therapien und gezielte Prävention können den Behandlungsprozess beschleunigen, die Lebensqualität erhöhen und Kosten sparen.
Innovation Stage: Startups mit Mut zur Zukunft
Ein Highlight des Vormittags war die Innovation Stage, moderiert von unserer Themenmanagerin Dr. Nora Tula Detering, auf der sich innovative Startups aus ganz Deutschland und darüber hinaus präsentierten:
- Reach Therapeutics (Prof. Florian Heigwer, Heidelberg) nutzt patientenspezifische Tumor-Avatare zur Wirkstofftestung bei Darmkrebs.
- GliTTher (Dr. Sammy Mahdi, Göttingen) entwickelt eine neuartige, lokal applizierbare Therapie gegen Glioblastome – basierend auf 15 Jahren Forschung.
- Kallisio Inc. (Chinmay Deodhar, USA) präsentierte patientenindividuelle Stents zum Schutz der Zunge bei der Bestrahlung von Kopf-Hals-Tumoren.
- Citrapeutics (Prof. Frank Pessler, Hannover) verfolgt einen innovativen Ansatz zur Entwicklung oraler Immuntherapeutika für die personalisierte Krebstherapie
Die Pitches zeigten eindrucksvoll, wie vielversprechend die Startup-Landschaft im Bereich der personalisierten Medizin ist – und wie wichtig Finanzierung, regulatorische Unterstützung und internationale Kooperationen für den Markterfolg sind.
Von der Idee zum Produkt: Herausforderungen und Fördermöglichkeiten
In der anschließenden Session zum Thema „Wie kann es gelingen?“ gaben Dr. Leander Grode (Serum Life Science Europe GmbH) und Sebastian Vinzens (SKC Beratungsgesellschaft mbH) praxisnahe Einblicke, wie der Transfer medizinischer Innovationen vom Labor in den Markt gelingen kann, von präklinischen Entwicklungsstrategien am Beispiel der Tuberkuloseimpfstoffentwicklung, mit entsprechenden regulatorischen Anforderungen bis hin zu aktuellen Entwicklungen bei der EU-Zulassung, der Nutzenbewertung personalisierter Therapien und Reimbursement-Strategien.
Herausforderungen meistern ist auch ein Thema, mit dem sich Gründungsteams und Startups immer wieder auseinandersetzen müssen – Prof. Dr. Thomas Sommer vom Institute for Biomedical Translation (IBT) Lower Saxony und Dr. Sven Wagner von GOe FUTURE stellten in kurzen Pitches in der Transfer-Session ihre verschiedenen Programme vor, die gezielte Unterstützung für Startups bieten – von Finanzierung, Mentoring bis hin zu Netzwerkbildung und Industriekontakten. Der Image-Film vom HTI BioIntelligence bot ebenfalls Einblicke in das umfangreiche Angebot das der Hightech-Inkubator für Gründungsteams und Startups bereithält.
Vielfältige Perspektiven am Nachmittag: Diagnostik, Implantate, Therapien
Am Nachmittag vertiefte sich der Niedersächsische Life Science Tag in drei thematischen Sessions, die eindrucksvoll die Bandbreite personalisierter Medizin abbildeten – von der präzisen Diagnose über maßgeschneiderte Implantate bis hin zu individualisierten Therapieansätzen.
- Dr. Dr. Harald Mischak (mosaiques diagnostics) eröffnete die Session und stellte mit der protexam-Plattform einen Multi-Biomarker-Ansatz vor, der mithilfe von Urin-Proteomanalysen eine krankheitsspezifische, schnelle und nicht-invasive Diagnostik ermöglicht – ein Verfahren, das sich besonders für chronische Erkrankungen wie Nierenschäden eignet.
- Dr. med. Helge Frieling (AWO Psychiatriezentrum Königslutter) bot einen Einblick ins Themenfeld der Psychatrie und zeigte, wie epigenetische Marker neue Wege in der individualisierten Behandlung von Depressionen eröffnen können.
- Christiane Ritter (Prosperodes) stellte mit PhalanxNeuro eine Lösung vor, die nicht nur eine frühzeitige Erkennung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer ermöglicht, sondern auch eine Krankheitssubtypisierung zulässt.
- Nicole Schneiderhan-Marra (NMI – Naturwissenschaftliches und Medizinsches Institut Tübingen) brachte patientenabgeleitete Mikrotumore und High Content Protein Profiling als Schlüsseltechnologien für die personalisierte Testung therapeutischer Wirkstoffe und Entwicklung wirksamerer Krebstherapien ins Spiel.
Abgerundet wurde die Session durch den Beitrag von Prof. Dr. Markus Cornberg (CiiM), der am Beispiel der Hepatitis B die Rolle spezifischer Biomarker für die personalisierte Infektionsmedizin beleuchtete. Ein Feld, in dem personalisierte Ansätze künftig besonders großen Nutzen entfalten könnten.
Wie sich individuelle Bedürfnisse in der Medizintechnik konkret umsetzen lassen, zeigte die dritte Session zum Thema „Maßgeschneiderte Implantate“:
- Andre Gehre (KLS Martin Group) gewährte Einblicke in die Entwicklung und den klinischen Einsatz patientenspezifischer Implantate, etwa in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Durch digitale Planung und präzise Fertigung entstehen Lösungen, die exakt auf den individuellen Patienten zugeschnitten sind.
- Ulrich Froriep (Fraunhofer ITEM) ergänzte um die Perspektive der künstlichen Intelligenz (KI): Neue Testsysteme und datengetriebene Verfahren können sowohl die Passgenauigkeit als auch die Sicherheit von Implantaten erhöhen. Die Regulatorik stellt die Individualisierung und Nutzung von KI jedoch vor besondere Herausforderungen.
Den Abschluss bildete eine Session über vielversprechende Therapieansätze, die unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen zeigen erneut die Vielfalt und das Potenzial, aber auch die Herausforderungen bei der Entwicklung personalisierter Behandlungsansätze:
- Álvaro Aranguren Ibáñez (NEC Bio Therapeutics) sprach über die Entwicklung von neoantigenbasierten Vaccinen, ein sicherer und kosteneffektiver Ansatz für die personalisierte Krebs-Immuntherapie
- Svea Matthiesen (CiiM) zeigte auf, wie sich die Diversität von Antikörpern für die Personalisierte Medizin nutzen lässt, in der Therapieentwicklung aber auch als vielseitige Biomarker
- Ana Filipa Moreira Martings (DZMS) präsentierte neueste Entwicklungen in der phagenbasierten Therapie – ein innovativer Ansatz, um bakterielle Infektionen präzise und resistenzfrei zu behandeln, doch die Zulassung in Deutschland ist eine Herausforderung
- Lukas Cyganek (UMG) sprach schließlich über die Anwendung von CRISPR-Technologien zur Therapie genetischer Kardiomyopathien – ein Beispiel dafür, wie Genom-Editing auch bei bislang schwer behandelbaren Erkrankungen Hoffnung geben kann.
Zwischen den Sessions bot die Begleitausstellung mit regionalen Unternehmen, Startups und Forschungsinitiativen Raum für angeregte Gespräche und neue Kooperationen – ganz im Sinne der Idee: Wissenschaft, Wirtschaft und Anwendung stärker zu vernetzen.
Ein starkes Signal für den Life Science Standort Niedersachsen
Der Niedersächsische Life Science Tag 2025 hat einmal mehr bewiesen: Niedersachsen ist ein starker Standort für medizinische Innovationen. Die Veranstaltung war geprägt von spannenden Impulsen und einem intensivem Austausch und dem klaren Ziel, Herausforderungen und Hürden zu meistern, um Forschungsergebnisse schneller und nachhaltiger in die Versorgung zu bringen.