Mehr als 400 Millionen Menschen auf der Welt sind von Schwerhörigkeit betroffen. Am häufigsten ist die Schallempfindungsschwerhörigkeit, bei der die für das Hören zuständigen inneren und äußeren Haarzellen zerstört werden. Einmal zerstört, können sich die Haarzellen nicht mehr regenerieren und das Hörvermögen nimmt ab. Weltweit arbeitet die Wissenschaft an der Entwicklung von Therapien zur Erneuerung der Hörsinneszellen. Einem MHH-Forschungsteam ist es jetzt gelungen, den molekularen Schalter für die Bildung beider Typen von Haarzellen zu identifizieren. Damit haben sie einen wichtigen Baustein zur Behandlung von Schwerhörigkeit entdeckt.

Die inneren und äußeren Haarzellen entstehen vor der Geburt aus einem gemeinsamen Typ von Vorläuferzellen. Welche Faktoren entscheiden, ob sich daraus innere oder äußere Haarzellen entwickeln, war lange Zeit unbekannt. Ein Forschungsteam um Professor Dr. Andreas Kispert und Dr. Mark-Oliver Trowe vom Institut für Molekularbiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat jetzt den Schlüssel gefunden und nachgewiesen, wie dieser den Prozess kontrolliert: Tbx2 heißt das Gen, das bestimmt, ob sich innere oder äußere Haarzellen bilden.

Gen Tbx2 als Schlüssel zur Bildung von inneren Haarzellen

Das Gen Tbx2 enthält die Information über einen Transkriptionsfaktor, der wie ein An-Aus-Schalter regelt, ob bestimmte Erbinformationen auf der DNA abgelesen werden sollen oder nicht. Das Forschungsteam stellte bei der Untersuchung der Cochlea im Mausmodell fest, dass Tbx2 ausschließlich in den inneren Haarzellen aktiv ist. Somit lässt sich ableiten, dass keine inneren Haarzellen gebildet werden, wenn Tbx2 in den Vorläuferzellen gezielt ausgeschaltet wurde. Steht der Schalter allerdings auf „An“, bilden sich ausschließlich innere Haarzellen.

Wie wichtig dieser molekulare Schalter für die Zuordnung der Haarzellen ist, zeigte sich auch in einem späteren Entwicklungsstadium. „Wird Tbx2 in den inneren Haarzellen deaktiviert, wandeln sie sich zu äußeren Haarzellen um“, erklärt Professor Kispert. „Umgekehrt bewirkt eine Aktivierung von Tbx2 in den äußeren Haarzellen, dass sie sich zu inneren Haarzellen umwandeln.“

Da sich das Innenohr von Mäusen und Menschen ähnelt, gehen die Forschenden davon aus, dass auch die Regulationswege übertragbar sind. Mit der erfolgreichen Identifizierung von Tbx2 als molekularer Schalter für die Bildung innerer Haarzellen, wurde ein wichtiger Meilenstein für die Entwicklung regenerativer Therapien zur Behandlung von Schwerhörigkeit erreicht.

(Quelle: Medizinische Hochschule Hannover | Bild: MHH/Karin Kaiser)